Strom: Die gute Nachricht

Der massive Ausbau von Wind- und Solarenergie hat die EU vor einer schlimmeren Energiekrise bewahrt. Das zeigt die neue Strommarktanalyse „European Electricity Review“ der britische Umwelt- und Energie-Denkfabrik Ember

Zu den politischen Reaktionen der europäischen Union auf den Einmarsch Russlands in die Ukraine gehörte die Beschleunigung der „grünen“ Energiewende. Der Schwerpunkt liegt seitdem auf der raschen Senkung der Gasnachfrage – bei gleichzeitigem Ausstieg aus der Kohle. Dies bedeutet, dass in der EU ein massiver Ausbau der erneuerbaren Energie im Gange ist. Das zeigt auch die Energiestatistik: 2022 erzeugten Wind- und Solarenergie zum ersten Mal mehr als ein Fünftel des EU-Stroms (22 Prozent) und haben zum ersten Mal das fossile Gas (20 Prozent) als Energieträger überholt und liegen deutlich vor der Kohleverstromung (16 Prozent).

Dennoch wurde die Abkehr von fossilen Brennstoffen 2022 durch eine doppelte Krise des europäischen Stromsystems ausgebremst. Eine Dürre, die nur alle 500 Jahre auftritt, führte in ganz Europa zum niedrigsten Stand der Stromerzeugung aus Wasserkraft seit dem Jahr 2000. Gleichzeitig nahm Deutschland Ende 2021 drei Kraftwerke vom Netz und Frankreich musste aufgrund von Schäden, Wassermangel und Streiks zeitweise fast die Hälfte seiner 56 Reaktoren herunterfahren. Dadurch entstand eine Erzeugungslücke von 185 Terawattstunden (TWh) oder sieben Prozent des europäischen Strombedarfs im Jahr 2022. Fünf Sechstel der Lücke wurden durch mehr Wind- und Solarstromerzeugung und einen Nachfragerückgang ausgeglichen. Das verbleibende Sechstel deckte eine verstärkte fossile Stromerzeugung aus Kohle und Gas.

Es hätte noch viel schlimmer kommen können: Wind, Sonne und ein Rückgang der Stromnachfrage verhinderten einen weitaus umfangreicheren Einsatz der Kohle. EU-weit gingen im Vorjahr  26 bereits stillgelegte Kohlekraftwerke wieder ans Netz. Die Kohle-Einfuhren stiegen im Vergleich zu 2021 um mehr als 50 Prozent. Doch zwei Drittel dieser Mehreinfuhren von insgesamt 22 Millionen Tonnen Kohle liegen laut der Ember-Analyse noch in Lagern, weil sie nicht gebraucht wurden. Die 26 zusätzlichen Kohlekraftwerke waren nur zu durchschnittlich 18 Prozent ausgelastet.

2023 wird – laut den Prognosen von Ember – genau das Gegenteil der Fall sein. Die Wasserkrafterzeugung wird sich erholen, die französischen Kernkraftwerke werden als Stromerzeuger zurückkehren, der Ausbau der Wind- und Solarenergie wird sich beschleunigen und die Stromnachfrage wird in den kommenden Monaten weiter sinken. Im Jahr 2023 wird es in Europa demnach einen massiven Rückgang der fossilen Brennstoffe geben – bei der Kohleverstromung und in den Gaskraftwerken.